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Offener Brief an die Medien Österreichs

 

MAG. PHIL. ORTWIN ROSNER:

OFFENER BRIEF AN DIE MEDIEN

 

Liebe Redakteure und Redakteurinnen des Landes, liebe Medienvertreter und Medienvertreterinnen, liebe Journalisten und Journalistinnen der österreichischen Nation!

 

Besinnt Euch, was Ihr tut!

Mein Name ist Ortwin Rosner. Ich verfasse dieses Rundschreiben als Autor, der jahrelang als freier Blogger für die österreichische Tageszeitung DER STANDARD tätig war, dessen Blog aber Anfang Dezember vergangenen Jahres unter fadenscheinigen Begründungen gelöscht wurde. Bis zuletzt hatte ich in meinen Beiträgen den Stil kritisiert, mit dem die Corona-Debatte geführt wird, die aggressive Stimmungsmache, die von Politikern und leider auch von Medienleuten ausgeht und die gegen Ungeimpfte sowie Corona-Demonstranten und ganz allgemein gegen Maßnahmenkritiker gerichtet ist.

 

Schließlich aber hat der Online-STANDARD einen bereits veröffentlichten (!) Beitrag von mir vom Netz genommen und daraufhin überhaupt die Zusammenarbeit mit mir beendet. In dieser Form ist das wohl ein einmaliger, noch nie dagewesener Vorfall beim STANDARD. Auch das ist, wie so vieles andere, ein Hinweis darauf, wie sehr sich der Diskurs in diesem Land radikalisiert hat und kritische Gegenstimmen aus dem Weg geräumt, ins Abseits gedrängt werden.

 

Ich wende mich allerdings nicht nur an den STANDARD, sondern an die Vertreter und Mitarbeiter aller großen österreichischen Medienhäuser. An Euch alle richte ich den eindringlichen Appell, Euch wieder Eurer journalistischen Grundsätze zu erinnern.

 

Insbesondere wende ich mich an die Verantwortlichen in denjenigen Medien, die sich doch sonst immer mit ihrem Eintreten für Toleranz und Menschenrechte hervorgetan haben, die nun aber von diesem Weg völlig abgekommen zu sein scheinen. Ich denke dabei nicht nur an den STANDARD, sondern beispielsweise auch an den FALTER, angesprochen fühlen darf man sich jedoch freilich ebenso in den Redaktionsstuben von profil und ORF. Sie alle will ich zur Besinnung rufen.

 

Und ich spreche dabei nicht nur in meinem eigenen Namen. Sehr viele Menschen dieses Landes nehmen dasselbe wahr wie ich und fühlen wie ich. Sehr viele Bürger sind inzwischen beunruhigt und erkennen mit Sorge, was aus einst "liberalen" oder gar "linken“"und intellektuell anspruchsvollen Medien geworden ist. Wir sehen die zunehmende Radikalisierung und die Bedrohung, die dadurch für unser Land, für seine Einwohner und für den sozialen Frieden ausgeht.

 

Darum hier vorangestellt die eine Aufforderung, die an die Vertreter aller, aber ganz speziell an diejenigen dieser Medien gerichtet ist:

Hört auf zu radikalisieren!

 

Denn es ist absurd, wenn Ihr Journalisten Corona-Demonstranten vorwerft, sie würden sich radikalisieren. Ihr Journalisten werft damit anderen das vor, was Ihr selbst tut. Ihr selbst seid es, die hier andauernd radikalisieren. Und Ihr erweist damit unserem Land einen schlechten Dienst.

 

Besinnt Euch endlich, was Ihr tut!

 

Liebe Journalisten und Journalistinnen des Landes, liebe Medienvertreter und Medienvertreterinnen! Ihr scheint nur mehr ein Interesse an Polarisierung, an Schwarzweißmalerei und an aggressiver Stimmungsmache gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen zu haben.

 

Dabei geht es schon längst nicht mehr bloß um Corona. Das ist keine medizinische Debatte mehr, sondern eine Debatte über unsere Demokratie, über Grundrechte und unsere Demokratie, die Ihr Journalisten und Journalistinnen gerade zuschanden macht. Ihr seid gerade dabei, unsere Demokratie in eine illiberale Demokratie, unsere Gesellschaft in eine illiberale Gesellschaft und unseren Staat in einen autoritären Staat zu verwandeln.

 

Wenn man einen Eurer Sender aufdreht oder wenn man einen Eurer Artikel durchliest, findet man kaum mehr etwas anderes als eine durchgehende Diffamierung Andersdenkender. Ihr spaltet die Gesellschaft und schürt den Hass. Ob Ungeimpfte, Corona-Demonstranten oder einfach bloß Maßnahmenkritiker, sie werden von Euch ohne Unterlass abgekanzelt und als dunkle Gestalten dargestellt, als wütende, aggressive, irrationale und mit Rechten mitmarschierende Esoterik-Trottel, gegen die man mit harter Hand durchgreifen müsse und denen gegenüber jedes Mittel gerechtfertigt erscheint.

 

Alles, was diesem Bild widerspricht, das lasst Ihr weg. Wenn wo eine Demonstration stattfindet, dann fangt Ihr natürlich mit Euren Kameras einen Martin Sellner oder einen Martin Rutter ein und walzt deren Präsenz in Euren Berichten aus. Die Gruppe von jungen Frauen, die ein Schild hochhält mit der Aufschrift "Links & gegen Impfpflicht", die wird aber beispielsweise von Euch ignoriert, die hat es schwer, auf Eure Titelseiten zu kommen.

 

Die Einseitigkeit Eurer Berichterstattung ist exorbitant, und eine differenzierte Herangehensweise ist von Euch nicht mehr zu haben. Und es zeugt geradezu von völliger Selbstverblendung, wenn etwa der FALTER auf seinem Cover groß "Wirr ist das Volk" schlagzeilt und dann im Blattinneren unter der reißerischen Überschrift "Schamanen, Schwerter, Staatsfeinde" eine ganze Bevölkerungsgruppe dämonisiert, sich dann aber gleichzeitig über die Radikalisierung der Proteste besorgt zeigt.

 

Liebe Redakteure des FALTERs! Wer solche Titelstorys wie Ihr produziert, der tut schon selbst genügend für Radikalisierung, der braucht das wahrlich niemandem anderen vorzuwerfen. Man kann es dann jedes Mal beobachten, wenn auf solche Artikel hin die Aggression in den sozialen Medien neue Nahrung bekommt, durchs Netz zirkuliert und sich die Leute darin bestätigt fühlen, dass sie Ungeimpfte und Corona-Demonstranten auf nur alle erdenkliche Weise beschimpfen und anklagen dürfen, so als wären sie die Schuldigen an der Pandemie.

 

Liebe Redakteure des FALTERs! So sät man den Hass zwischen den Menschen. So trägt man zur gesellschaftlichen Eskalation bei. Warum tut Ihr das? Warum schreibt Ihr solche Artikel? Was bezweckt Ihr um Gottes willen damit?

 

Oder was soll ich vom STANDARD sagen, der nicht einmal imstande war, einen kurzen Weihnachtsfrieden einzuhalten. Schon am 25. Dezember habt Ihr, liebe Leute von der STANDARD-Redaktion, einen Gastkommentar online gestellt, der sich nicht mal mehr die Mühe gemacht hat, irgendeine sachliche und differenzierte Darstellung vorzutäuschen. In einem wüsten, pauschalen Rundumschlag wurden da die Impfpflichtgegner der "Raserei" beschuldigt, als finstere Gesellen dargestellt, denen "Gemeinwohl" und "Solidarität" fremd sei.

 

Liebe Redakteure vom STANDARD, und Ihr werft dann der anderen Seite "Aggressivität" vor? Solche Artikel sind aggressiv. Auch hier gilt, dass Ihr selbst permanent das tut, was Ihr anderen vorwerft. Und Ihr könnt zwar viele Leute täuschen, indes ist Euer doppeltes Spiel mittlerweile zu offensichtlich, als dass es nicht ebenso viele Leute bemerken würden.

 

Wenn Ihr Euch aber so gebärdet, wundert Ihr Euch dann wirklich über das Misstrauen, das Euch und Eurer Art des Journalismus immer stärker entgegengebracht wird? Habt Ihr das nicht selbst verschuldet? Liebe Redakteure und Redakteurinnen vom STANDARD! Am Ende schadet Ihr Euch selbst, wenn Ihr Euch so verhaltet, Eurem eigenen guten Ruf, den Ihr früher einmal hattet.

 

Während es von Euch keine Kritik am zunehmend autoritären Staat gibt, während Ihr über die tiefgreifenden Änderungen im Arzneimittel- und Gentechnikgesetz, die gerade über die Bühne gehen, kein Wort verliert (zumindest habe ich nichts davon gesehen), geht Ihr genau auf die Leute los, die diese Entwicklungen aufzeigen wollen und diffamiert sie als "Verschwörungstheoretiker".

 

Das Absurde daran ist, dass Ihr am Beginn der Pandemie, vor ungefähr zwei Jahren, selbst davor gewarnt habt, dass in Ungarn Ministerpräsident Viktor Orban das Virus benutzen könnte, um dort Kritiker auszuschalten und eine Art Despotie zu errichten. Aber nun, wo sich hier in Österreich schleichend eine solche Orbanisierung abzeichnet, habt Ihr nichts anderes zu tun, als jeden Widerstand dagegen abzukanzeln.

 

Dass eine Zeitung, die einen solchen Beitrag lanciert wie diesen Kommentar vom 25. Dezember, immer noch glaubt, sie stünde hoch über den Publikationen, die sie als "Krawallblätter" bezeichnet, das ist abstrus. Warum glaubt Ihr, liebe Leute vom STANDARD, dass Ihr etwas so viel Besseres seid?

 

Wesentliche journalistische Grundsätze scheinen bei Euch keine Rolle mehr zu spielen, so zum Beispiel das Prinzip der deutlichen Trennung zwischen Berichterstattung und Meinungskommentar. Bei Euch geht es praktisch nur mehr um Meinungsmache, und Berichterstattung und Meinungsmache gehen bei Euch so ineinander über, dass das nicht mehr auseinanderzuhalten ist.

 

Erst letzthin, am Samstag, dem 15. Jänner, als es wieder viele Demonstrationen in Wien gab, worüber habt Ihr, liebe Redakteure vom STANDARD, groß und ausgiebig berichtet? Selbstverständlich nur über die FPÖ-Kundgebung. Natürlich über finstere und rechtsextremistische Gestalten. Dass auch die ehemalige Grünen-Chefin Madeleine Petrovic auf einer von Ärzten veranstalteten Kundgebung gesprochen hat, das ist von Euch mit keinem Wort erwähnt worden.

 

Wir sind hier bei einem wesentlichen Punkt angelangt. Ganz allgemein gilt, dass jemand, der sich nur über die Leitmedien unseres Landes informiert, eine völlig verzerrte Vorstellung der samstäglichen Corona-Demos in Wien erhalten muss. Er bekommt keine Vorstellung davon, dass es -zig verschiedene Veranstalter sind, die da jeden Samstag an allen Ecken und Enden der Innenstadt Kundgebungen und Demonstrationen organisieren, dass diese Veranstaltungen von unterschiedlichsten weltanschaulichen Milieus getragen sind und dann immer wild und bunt zusammengemischt am Ring zusammenfließen. Stattdessen bekommt er aufgrund der Berichterstattungen den (falschen) Eindruck, dass da eigentlich mehr oder minder nur die FPÖ demonstriert und alle anführt. Dass aber ebenso ganz linksstehende Leute ihre eigenen Kundgebungen mit ihren ganz eigenen Rednern und ihren ganz eigenen Inhalten abhalten, dass man da am Ring sehr gut dabei sein kann, ohne irgendetwas von der FPÖ zu sehen, darüber erhält er kaum irgendeine Information von Euch.

   

Und um zu wissen, liebe Redakteure vom STANDARD, auf was für eine Weise die Debatte durch Eure einseitigen Berichte angeheizt wird, braucht man nur in Euer Posting-Forum darunter zu scrollen. Da sieht man dann das Ergebnis Eurer Arbeit. Denn dort gehen daraufhin immer die Wogen der Empörung, der Wut und der Aggression über die Corona-Demonstranten und die Ungeimpften unermesslich hoch. Wenn es Euer Ziel wäre, verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzubringen, dann hättet Ihr das jedenfalls damit erreicht.

 

Was soll ich aber wiederum von Euch sagen, liebe FALTER-Redakteure und Redakteurinnen, die Ihr in Eurer Ausgabe vom 9. November vergangenen Jahres eine Karikatur von Stefanie Sargnagel veröffentlicht habt, auf der zu sehen ist, wie sie auf dem Kopf eines Ungeimpften, dessen Argumente sie nichts abgewinnen kann, ihre Notdurft verrichtet? Findet man in der FALTER-Schickeria so etwas wirklich witzig? Seid Ihr tatsächlich so tief gesunken? Und nein, jetzt redet Euch nicht damit heraus, dass das Satire sei und Satire alles dürfe. Damit ist ganz gut das Niveau zusammengefasst, auf dem Euer Journalismus angelangt ist.

 

Bei all diesen Beispielen handelt es sich freilich nur um einige ganz wenige Exempel und womöglich noch nicht einmal um die drastischsten. Da könnte man eins nach dem anderen reihen, ein ganzes Buch könnte man damit füllen, und im Grunde müsste man die Beispiele andauernd aktualisieren, es kommt fortlaufend Neues dazu. Natürlich habe ich hier auch eher zufällig Beiträge von STANDARD und FALTER herausgegriffen. Beispiele für fragwürdigen Journalismus findet man ebenso en masse im ORF, im profil, auf FM4, auf Puls24 und sogar in der Kleinen Zeitung.

 

Meine Schlussfolgerung ist:

Wir haben es derzeit mit einem grandiosen Verfall des Journalismus in Österreich zu tun, mit einer Anbiederung des Journalismus an die Macht, in einem Ausmaß, wie es das vielleicht vorher noch nie in der Zweiten Republik gegeben hat. In dieser drastischen Form ganz sicher noch nicht. Und das ist ungeheuer gefährlich.

 

Liebe Leute vom STANDARD, vom FALTER und von anderen großen Medien dieses Landes. An Eurer Arbeit war ja auch schon bisher oft so einiges zu kritisieren. Aber Ihr habt nun, während der Corona-Krise, und das ist sehr vielen Beobachtern ersichtlich, jegliche Balance verloren. Ihr habt Euch zunehmend radikalisiert.

 

Ihr missbraucht Eure Machtposition, die Ihr habt, um von dort aus aggressive Stimmungsmache gegenüber einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zu machen, gegenüber einer Minderheit, gegen die Ihr die Mehrheit aufpeitscht. Nicht nur ich, sondern auch viele andere beobachten kritisch diese Entwicklung, der Ihr anheimgefallen seid. 

 

Liebe Leute vom STANDARD, vom FALTER und von anderen großen Medien dieses Landes. Ich habe keine Ahnung, was in Euren Köpfen vorgeht. Und ich weiß nicht, ob meine Aufrufe zur Besinnung überhaupt irgendetwas bei Euch bewirken außer die üblichen automatischen Abwehrreaktionen. Dennoch versuche ich es.

 

Und ich frage Euch: Wie lässt sich das, was Ihr da tut, mit Euren Werten vereinbaren, für die doch einzustehen Ihr immer behauptet? Wie mit dem Eintreten für eine offene Gesellschaft, für den Schutz von Minderheiten und so weiter?

 

Liebe Leute vom STANDARD, vom FALTER und von anderen großen Medien des Landes. Seht Ihr nicht, in was für Zeiten wir uns befinden? Ungeimpften wird das Arbeitslosengeld und die Mindestsicherung gestrichen. Ungeimpfte dürfen nicht mehr auf Universitäten gehen. Wenn Ungeimpfte zum Arzt gehen wollen, kann es Ihnen passieren, dass dort ein Zettel an der Tür klebt: "Eintritt nur für Geimpfte!" Und Eltern schreiben Briefe an die Schulen, in denen sie verlangen, dass ihr Kind nicht neben einem ungeimpften Kind sitzen soll.

 

"Wir wissen, dass sich viele Menschen  -  auch einige von uns  -  seit November in gesellschaftlicher Isolation befinden" schreiben die GRÜNEN GEGEN IMPFPFLICHT UND 2G in einem Rundmail vom 23. Jänner, "und nicht einmal dringende Einkäufe erledigen können. Wir kennen Fälle, wo Mütter verzweifelt sind, weil sie für ihre Kinder nicht die notwendige Kleidung, Schuhe oder Schulsachen kaufen können. Wir kennen Menschen, die ihre Lieben nicht im Krankenhaus oder Pflegeheim besuchen können. Wir kennen Menschen, deren Nerven blank liegen, weil sie um ihre Existenzgrundlage fürchten."

 

Das ist die Situation. Und ab 1. Februar gelten Ungeimpfte überhaupt als so eine Art Kriminelle. Denkt Ihr Journalisten und Journalistinnen nie nach, was das alles eigentlich heißt?

 

Selbst doppelt Geimpfte werden bald als Ungeimpfte gelten und denselben Schikanen und Diskriminierungen ausgesetzt sein, wenn sie sich nicht ein drittes Mal impfen lassen. All das ist nur mehr absurd.

 

Liebe Verantwortliche in den großen Medienhäusern. Merkt Ihr nicht, dass Ihr zu dieser gesellschaftlichen Radikalisierung beitragt durch Eure Art der Berichterstattung und Kommentierung? Ich erinnere Euch an Eure Verantwortung in dieser Stunde.

 

Liebe Verantwortliche in den großen Medienhäusern. Euch alle fordere ich auf, Eure aggressive und einseitige Berichterstattung zu beenden, mit der Ihr permanent Stimmung gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe macht. Ich fordere Euch auf, stattdessen wieder zu Eurer journalistischen Pflicht zurückzukehren.

 

Kommt zur Besinnung! Ich fordere Euch auf, Euch Eurer originären Werte zu besinnen und wieder das zu betreiben, was unser Land gerade jetzt mehr denn je dringend nötig hat: Nämlich einen unabhängigen, unparteilichen, kritischen und ausgewogenen Journalismus.

 

Ortwin Rosner

 

Wien, Ende Jänner 2022

 

 

Anmerkung: Weitere Stellungnahmen und Verlinkungen finden sich im Original auf 

https://ortwinrosner.wordpress.com/2022/01/31/offener-brief-an-die-medien-osterreichs/